Wilfried Göbler - 17.07.2016

Er ist wieder heimgekehrt – der alte Altar der Rückerother Kirche

 

Eine erste Erwähnung des Altars der Kirche zu Rückeroth als Synonym für die Kirche und den Ort Rückeroth führt zurück in das Jahr 1239. Eine Urkunde des Fürstlich Wiedischen Archivs aus diesem Jahr umschreibt die Wiedische Grundherrschaft mit dem, was 1239 zum Pankratiusaltar gehörte, nämlich ein Teil der Burg Hartenfels usw. Rückeroth wird hier nicht wörtlich erwähnt, aber es besteht kein Zweifel daran, dass Rückeroth gemeint war (Gensicke: NA 66/1959). Der Pankratiusaltar war der damalige Inbegriff für den Wiedischen Hof oder Ort Rückeroth und die Wiedische Kirche in Rückeroth.

 

Eine weitere urkundliche Erwähnung der Rückerother Kirche finden wir 20 Jahre später in einer Erbschaftsurkunde der Grafen zu Wied aus dem Jahre 1259 (FWA 3-7-14a). Und wie hier nachzulesen ist, wurde die Urkunde zu „Ehren des Altars des Heiligen Pankratius in Rückeroth“ verfasst. In diesem Sinne ist wieder das Wort Altar, jetzt aber in wörtlicher Verbindung mit Rückeroth, ein Synonym für die dem Heiligen Pakratius geweihte Kirche in Rückeroth in der (damaligen) Grafschaft Wied.

 

Das Aussehen der Altäre unserer Kirche in den frühen Jahren ist unbekannt.

Auch von den späteren Altären unserer Kirche gibt es wenig Kunde.

In einer weiteren Urkunde des Fürstlich Wiedischen Archivs (FWA 65-4-1) erfahren wir vom Schicksal eines Altars der Rückerother Kirche im 17. Jahrhundert:

Von 1688 bis 1697 fand der Pfälzische Erbfolgekrieg, auch Neunjähriger Krieg genannt, statt. Es handelte sich um einen Eroberungskrieg Ludwigs XIV in der Pfalz. Dabei waren auch kurbayerische und pfalz-neuburgische Truppen marodierend durch unser Kirchspiel gezogen. Sie raubten in unserer Kirche wertvolle liturgische Geräte und verbrannten die Kanzel, den Abendmahlstisch (Altar) und die Bänke der Kirche.

Im 20. Jahrhundert wurde unsere Kirche wiederum in Mitleidenschaft gezogen, als amerikanische Truppen am 26.03.1945 von Marienrachdorf kommend durch Rückeroth zogen, um die Wehrmacht auf dem Rückzug zu verfolgen und ihren Widerstand zu brechen. Panzergranaten trafen dabei auch die Kirche.

Jahre danach, als Pfarrer Görnert aus dem Krieg zurückgekehrt war und den Pfarrdienst wieder aufnahm, organisierte er zusammen mit dem damaligen Kirchenvorstand die Reparatur und Innenrenovierung der Kirche.

 

Es ist die Geburtsstunde unseres wieder heimgekehrten Marmor-Altars.

 

Rückeroth war am 26.03.1945 von den Amerikanern militärisch besetzt worden und wurde wenige Wochen später der französischen Militärbehörde übergeben.

 

Am 18.03.1946 erhält Pfarrer Görnert (in der Französischen Zone) auf Anfrage vom NASSAUISCHEN MARMORWERK IN VILLMAR AN DER LAHN (in der Amerikanischen Zone) ein Angebot über einen polierten Marmoraltar mit Mensa, zwei Säulen, einem Kreuz mit Sockel usw. in „Schuppach schwarz mit weißen Adern“ für 2606 Reichsmark. Am 04.04.1946 nimmt der Rückerother Kirchenvorstand dieses Angebot an, um erst danach, d. h. am 21.05.1946 die zuständige Denkmalsbehörde, den Provinzialkonservator, Herrn Dr. Bornheim, zu informieren.

Damit hatten Pfr. Görnert und der Kirchenvorstand „die Rechnung ohne den Wirt“ gemacht.

In mehreren Schreiben bittet Pfr. Görnert danach die Denkmalsbehörde um Zustimmung, was diese verweigert. Nach einem weiteren Schreiben vom 23.01.1947 kommt es zum Konflikt, der Pfr. Görnert seitens seiner vorgesetzten Behörde, der „Vorläufigen Leitung der Ev. Kirche in Nassau“ eine Rüge einbrachte, ohne Pfr. Görnert vorher angehört zu haben.

Hiergegen verwahrt sich Pfr. Görnert in einem Schreiben an die „Vorläufige Leitung der Ev. Kirche in Hessen“. Im Einzelnen führt er dazu aus, zu Recht das Verhalten von Herrn Dr. Bornheim, der es bis dato unterlassen hatte, das von dem Kirchenvorstand erbeten Gutachten zum bestellten Altar zu fertigen, auf schärfste verurteilt zu haben und ihm dabei auch Interessenlosigkeit und Mangel an Verantwortungsgefühl vorgeworfen zu haben.

Pfr. Görnert rechtfertigt sein Verhalten auch damit, dass die beabsichtigte Anschaffung des Altars und die Innenrenovierung der Kirche auf Spendengeldern und Sachspenden (von den Franzosen kontingentierte Baustoffe) beruht.

Den Geldspenden drohte die Geldentwertung (Inflation) der Nachkriegszeit und den Sachspenden der Verderb durch zu langes Lagern.

Am 27.08.1947 schließlich entsendet Herr Dr. Bornheim seinen Mitarbeiter, Herrn Merian, nach Rückeroth, wo der mit Auflagen und Änderungen sowohl den Altar als auch die Innenrenovierung genehmigt. Es folgte sodann unverzüglich die Bauausführung.

 

Und bei der 1992/1993er Renovierung waren der Marmoraltar (und die Trachytkanzel aus dem Jahre 1959) für die Denkmalsbehörde vermutlich wieder „Stein des Anstoßes“ und mussten entfernt werden.

Der Marmoraltar aus echtem Schuppacher Lahnmarmor in schwarz mit weißen Einschlüssen wurde von der Fa. Bell in Selters verwahrt und zunächst vergessen.

Bei meinen Recherchen zur Rückerother Chronik 2009 erhielt ich erstmals den Hinweis auf seinen vermutlichen Aufenthaltsort. Auch dies geriet bei mir zunächst wieder in Vergessenheit, bis ich mich dessen im Jahre 2016 wieder erinnerte und bei der Fa. Bell recherchierte. Dabei fand ich den Altar mit Mensa, Kreuz und Sockel, aber ohne Säulen und Rückwand.

Zusammen mit Claus Müller aus Rückeroth sicherten wir diese Teile, nachdem Herr Bell sein Einverständnis erklärt hatte. Eine Unterhaltung zwischen Claus Müller und dem früheren Pfarrer in Rückeroth, Werner Schleifenbaum, brachte zu Tage, dass Pfr. Schleifenbaum die beiden Säulen beim Abtransport des Altars aus der Kirche in Verwahrung genommen hatte. Diese glücklichen Umstände ermöglichten die Heimkehr des soweit wieder kompletten Altars nach Rückeroth, wo er zwischenzeitlich im Pfarrhof einen Ehrenplatz bekommen hat und beim  „Kirchweihfest“ 2016, sprich Kirmes, bei einem Openair-Gottesdienst seiner Bestimmung übergeben werden wurde.